Das schnellste Bild der Welt – neu belichtet!

Die Fotoausstellung „Das Polaroid Projekt“ vom 07. Juli bis zum 23. September 2018 im C|O Berlin

Eine charakteristische Kompaktkamera, ein vertrautes Klick- und Summgeräusch sowie eine quadratische Fotografie mit dickem weißen Rand stehen spätestens seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für die Marke und die originelle Fototechnik „Polaroid“. Mit einem Sofortbild, das in wenigen Sekunden, ohne Dunkelkammer oder Negativentwicklung, auf fast magische Art und Weise vor den Augen des Machers entsteht, hält das Polaroid-Bild den nie wiederkehrenden Augenblick fest und verkörpert Momenthaftigkeit und Schnelllebigkeit wie kein anderes. Die Fototechnik hat sich ihren Platz in der Geschichte erobert und büßte in den letzten Jahrzehnten wohl gerade deshalb bei Profis, Amateuren und Liebhabern kaum an Charme oder Beliebtheit ein.[1] Für die Ausstellung „Das Polaroid Projekt“ stellte die C|O Berlin Foundation aus den weltweiten Beständen der „Polaroid Collection“ in Cambridge (USA) und Amsterdam rund 250 Polaroid-Bilder neu zusammen. Diese künstlerischen Werke werden durch Kameramodelle, Prototypen und allerhand Ausstellungsstücke ergänzt, sodass sowohl die bedeutende Technik als auch das Phänomen „Polaroid“ umfangreich beleuchtet werden.[2]

In den 1930er Jahren entwickelte und patentierte der Physiker Edwin Herbert Land einen Polarisationsfilter, auf dessen Grundlage er anschließend die „Polaroid Corporation“ in Boston gründete. Bereits ein Jahrzehnt später entstand mit der „Land Camera“ der erste Fotoapparat, dem nach dem Schnappschuss innerhalb einer Minute eine fertige Fotografie entnommen werden konnte. Es folgten Jahre der Weiterentwicklung mit Höhepunkten wie dem Farbfilm „Polacolor“ um 1963 oder der ersten kompakten Faltkamera „SX-70“ ab 1972. So konnte sich die Marke zu einem populären Kult entwickeln, der nach dem Aus des Unternehmens seit 2008 als „Impossible Project“ wiederbelebt wurde und heute unter dem Namen „Polaroid Originals“ in Zeiten der digitalen Fotografie mit seiner besonderen Haptik und einem Hauch Nostalgie sein Comeback feiert.[3]

Im C|O Berlin können die BesucherInnen diese Welt der Polaroids durch breite Türrahmen, gestaltet in den typischen Regenbogenfarben der Marke, wortwörtlich betreten. Dabei entstammt ein beträchtlicher Teil der gezeigten Fotografien dem „Artist Support Program“, mit dem das Unternehmen KünstlerInnen förderte und ihnen Kameras sowie Filme zur Verfügung stellte.[4] Anhand von sieben thematischen Schwerpunkten wird in der Ausstellung dieser künstlerische Umgang mit der Polaroid-Fotografie von den Anfängen bis in die Gegenwart dargestellt.

 

Foto: Johannes Hackethal, Ausstellung: Das Polaroid Projekt im C|O Berlin, 2018

Foto: Johannes Hackethal, Ausstellung: Das Polaroid Projekt im C|O Berlin, 2018

„Befragungen“ beleuchten einleitend sowohl das künstlerische Experimentieren mit der Sofortbildtechnik als auch die Nutzung der Instantfotografie für die Aufzeichnung wissenschaftlicher Beobachtungen unter dem Mikroskop. Für die Inszenierung auf „Bühnen“ spielt anschließend der charakteristische Polaroid Frame eine wichtige Rolle, wobei entweder Alltag und Fiktion in gestalteten Miniaturen wiedergegeben werden oder Hollywood-Stars und Modetrends ihren Auftritt bekommen. In „Anordnungen“ werden oft banale Fotomotive in der Tradition der Stillleben gestaltet und können Stück für Stück positioniert, verrückt und perfektioniert werden. „Beobachtungen“ hingegen sind von Menschen, Ereignissen und Naturphänomenen geprägt und setzen sich vor allem mit dem Realen auseinander. Die sogenannte „Instantaneität“ beschreibt die der Polaroid-Technik eigene Unmittelbarkeit und Spontanität, wofür vor allem der Künstler Andy Warhol als Aushängeschild gilt, und reicht bis in einen privaten Rahmen, in dem sie eine kommunikative Fotografie begründet. Diese Art der Kommunikation lebt heute in den digitalen Bildern der sozialen Medien weiter. Abschließend wird den emotionalen „Ausdrucksformen“ von Übermalungen, Collagen u.a. sowie den „Abstraktionen“ der Polaroid-Kunst, die den Alltag in neue Realitäten verwandeln, entsprechend Raum geboten.

Foto: Johannes Hackethal, Ausstellung: Das Polaroid Projekt im C|O Berlin, 2018

Die präsentierten Inhalte werden anschaulich durch Inszenierungen verschiedener KünstlerInnen beleuchtet, so zum Beispiel in 20 Vitrinen mit je neun Fotografien von Cyprien Gaillard, in Aneinanderreihungen von Barbara Crane oder Überlappungen und Collagen von Joyce Neimanas. Durch Erklärungen zu Geschichte, Funktionsweise und Technik entweder in Schaukästen mit Ausstellungsstücken oder in Filmsequenzen werden diese Inszenierungen aufschlussreich unterbrochen. Insgesamt bietet sich die Möglichkeit, das kultige Phänomen „Polaroid“ in seinen technischen und künstlerischen Besonderheiten und einem einzigartigen Facettenreichtum zu begreifen.

 

Foto: Johannes Hackethal, Ausstellung: Das Polaroid Projekt im C|O Berlin, 2018

Foto: Johannes Hackethal, Ausstellung: Das Polaroid Projekt im C|O Berlin, 2018

 

Die Ausstellung ist ein Projekt der „Foundation for the Exhibition of Photography“ in Minneapolis/New York/Paris/Lausanne, dem „MIT Museum“ in Cambridge (USA) und dem Fotomuseum „WestLicht: Schauplatz für Fotografie“ in Wien. Die Kuratoren Deborah G. Douglas, William A. Ewing, Barbara P. Hitchcock, Rebekka Reuter sowie Gary Van Zante präsentierten ihre Schau bereits von November 2017 bis Februar 2018 im WestLicht in Wien selbst und daraufhin von März bis Juni 2018 im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg.

Für Berlin wurde „Das Polaroid Projekt“ mit seinen Ausstellungsstücken von Ann-Christin Bertrand neu gestaltet und in Zusammenarbeit mit C|O Berlin umgesetzt. Dort ist das momenthafte Universum der Sofortbildfotografie mit Polaroid-Werken von Nobuyoshi Araki, Sibylle Bergemann, Guy Bourdin, David Hockney, Robert Mapplethorpe, Robert Rauschenberg, Anna und Bernhard Blume und vielen anderen sowie die erste Faltkamera SX-70 und damit „das raffinierteste und innovativste Produkt ihrer Zeit“[5] noch bis zum 23. September 2018 zu erleben. Begleitend zur Ausstellung ist im Hirmer Verlag in München der Katalog „Das Polaroid-Projekt – Die Eroberung durch die Kunst“ erschienen.[6]

 

[1] Begleitheft zur Ausstellung: „Das Polaroid Projekt“, C|O Berlin, 07.07.-23.09.2018, S. 1.

[2] Begleitheft zur Ausstellung: „Das Polaroid Projekt“, C|O Berlin, 07.07.-23.09.2018, S. 3.

[3] Polaroid: History

[4] Begleitheft zur Ausstellung: „Das Polaroid Projekt“, C|O Berlin, 07.07.-23.09.2018, S. 1.

[5] Zitat aus der Zeitschrift „American Photographer in der Ausstellung: „Das Polaroid Projekt“, Vitrine 10 „Polaroid SX-70. 1972“, Z. 4-5.

[6] Begleitheft zur Ausstellung: „Das Polaroid Projekt“, C|O Berlin, 07.07.-23.09.2018, S. 3.

 

 

Zitation


Josephine Kuban, Das schnellste Bild der Welt – neu belichtet! Die Fotoausstellung „Das Polaroid Projekt“ vom 07. Juli bis zum 23. September 2018 im C|O Berlin, in: Visual History, 27.08.2018, https://www.visual-history.de/2018/08/27/das-schnellste-bild-der-welt/
DOI: https://doi.org/10.14765/zzf.dok-1628
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Ein Kommentar “Das schnellste Bild der Welt – neu belichtet!

  1. Felicia Kant

    Selten einen so ausführlichen, informativen und elegant geschriebenen Artikel gelesen! Toll!

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