Neue Rezensionen: H-Soz-Kult

Bücher

In den letzten Wochen sind interessante Bücher aus dem Bereich der historischen Bildforschung auf H-Soz-Kult rezensiert worden. Wir stellen einige davon auf Visual History vor.

 

Loretana de Libero, Rache und Triumph. Krieg, Gefühle und Gedenken in der Moderne
De Gruyter Oldenbourg, München 2014
rezensiert von Manfred Hettling, redaktionell betreut durch Jan-Holger Kirsch

Cover de LiberoLoretana de Libero, Althistorikerin, untersucht in ihrer materialreichen Studie deutsche Kriegerdenkmäler nach 1918 und ergänzt ihre Arbeit mit punktuellen Ausblicken auf andere Länder. Ihr besonderes Interesse gilt der Darstellung des Feindes auf den Denkmälern. Seien es Figuren, Symbole, Allegorien, Embleme, Waffen, sprachliche Formeln – die Verweise auf den Kriegsgegner sind vielfältig. Damit wählt sie aus der Denkmalslandschaft der 1920er- und 1930er-Jahre einen kleinen Teil aus. Denn die Mehrzahl der Kriegerdenkmäler blieb auf die eigenen Gefallenen konzentriert. Doch ist die Grundannahme diskutierenswert, dass die Thematisierung des Feindes auf den Denkmälern verbreiteter war, als man bisher meist lesen konnte.

 

Anne Becker, 9/11 als Bildereignis. Zur visuellen Bewältigung des Anschlags
Transcript, Bielefeld 2013
rezensiert von Elke Grittmann, redaktionell betreut durch Christoph Classen

Cover BeckerSeit den terroristischen Anschlägen auf das World Trade Center in New York und das Pentagon bei Washington am 11. September 2001 ist über „9/11“ als globales Medienereignis international eine kaum noch zu überblickende Fülle an wissenschaftlichen Essays und Studien entstanden, die sich unter anderem mit der besonderen Rolle massenmedial verbreiteter Bilder beschäftigt haben. Die vorliegende Publikation von Anne Becker, die auf der Dissertation der Autorin beruht, widmet sich nun ebenfalls dem Thema mit Perspektive auf die Bilder und deren Bedeutung für die Wahrnehmung und „visuelle Bewältigung“ der Terroranschläge. So entsteht schon vor der Lektüre eine skeptische Erwartung, welche neuen Erkenntnisse diese Untersuchung bringt.

 

Hans-JoachimVeen/Volkhard Knigge (Hrsg.), Denkmäler demokratischer Umbrüche nach 1945
Böhlau Verlag Köln, Köln 2014
rezensiert von Rainer Pöppinghege, redaktionell betreut durch Jan-Holger Kirsch

Cover VeenOb eine Demokratie Denkmäler braucht, ist eine eher rhetorische Frage – sie hat sie ohnehin. Im öffentlichen Raum sind sie vielfach anzutreffen, ob zum ehrenden oder mahnenden Gedenken. Die Frage wäre also zu spezifizieren: Brauchen Demokratien eigene Denkmäler? Und wie gehen sie mit dem aus nichtdemokratischen Systemen, speziell aus Diktaturen übernommenen Denkmalserbe um? Beiden Fragen widmet sich der vorliegende Band, der aus einem Symposium der thüringischen Landeszentrale für politische Bildung (2013) hervorgegangen ist. Er versucht sich an einer Bestandsaufnahme von Denkmälern, die dem demokratischen Aufbruch von 1989 gewidmet sind, und fokussiert dabei auf Beispiele aus Deutschland sowie aus ostmitteleuropäischen Staaten. Den Anspruch eines breiten Überblicks zu den in diesem Zusammenhang entstandenen Denkmälern und Mahnmalen erfüllen alle im Band enthaltenen Artikel. Die meisten bieten darüber hinaus auch eine entsprechende Analyse der Entstehungszusammenhänge. Zahlreiche, teils farbige Abbildungen ergänzen die einzelnen Aufsätze.

 

Jürgen Martschukat, Jürgen/Silvan Niedermeier (Hrsg.), Violence and Visibility in Modern History
Palgrave Macmillan, Basingstoke 2013
rezensiert von Birte Christ, redaktionell betreut durch Jan-Holger Kirsch

Cover MartschukatGiven the ubiquity of images of violence throughout history as well as in contemporary news media, it is surprising that the relationship between violence and its (in)visibility within the public sphere has only recently become the focus of scholarly inquiry. Jürgen Martschukat’s and Silvan Niedermeier’s collection of essays on “Violence and Visibility in Modern History” is one of the first publications that addresses the issue from a transnational and interdisciplinary perspective. The volume assembles case studies from the US and Germany that consider different media that render violence visible – from nineteenth-century collections of court cases via photography to the TV miniseries “Holocaust” or contemporary Civil War reenactments – as well as different kinds of violence, which the volume’s two parts categorize broadly as “Visibilities of Crime, Policing, and Punishment” and “Visibilities of Warfare”.

 

Dirk Alt, „Der Farbfilm marschiert!“. Frühe Farbfilmverfahren und NS-Propaganda 1933–1945
belleville Verlag Michael Farin, München 2013
rezensiert von Gert Koshofer, redaktionell betreut durch Ulrich Prehn

Cover AltDer interessierte Leser des hier zu besprechenden Buches mag über die Verbreitung des Farbfilms vor allem schon im „Dritten Reich“ staunen, zumal von vielen die Einführung der Farbe im Film – in Unkenntnis – erst der Nachkriegszeit zugesprochen wird. Die Farbe in Filmen der NS-Zeit wurde in jüngerer Zeit auch durch TV-Sendungen und DVDs einer breiten Öffentlichkeit näher zugänglich gemacht. Dirk Alt vertieft in seiner Studie, der überarbeiteten Buchfassung seiner 2011 an der Universität Hannover eingereichten Dissertation, die früheren Darstellungen deutscher und ausländischer Autoren, darunter auch des Rezensenten, was die deutsche Farbfilm-Geschichte betrifft. Die eigentliche Fragestellung des Buches betrifft propagandistische Inhalte und Einsätze der farbigen Kinofilme in der NS-Zeit – es geht jedoch darüber weit hinaus. Im Mittelpunkt stehen der deutsche technische Weg zum Farbfilm mit seinen Problemen und Fehlschlägen. Alt beschreibt die industriellen und wirtschaftlichen Grundlagen der deutschen Farbfilmproduktion. Diese litt infolge des Krieges an zu geringen Fabrikations- und Verarbeitungskapazitäten, mit Auswirkungen insbesondere auf die Herstellung von Filmkopien.

 

Silvy Chakkalakal, Die Welt in Bildern. Erfahrung und Evidenz in Friedrich J. Bertuchs Bilderbuch für Kinder (1790-1830)
Wallstein Verlag, Göttingen 2014
rezensiert von Michaela Fenske, redaktionell betreut durch Beate Binder

Cover ChakkalakalSelten halten Bücher erheblich mehr als ihr Klappentext verspricht. Silvy Chakkalakals gerade erschienene, in der Europäischen Ethnologie eingereichte Dissertation ist diesbezüglich eine erfreuliche Ausnahme. Ihre gelungene Studie über das erste enzyklopädisch ausgerichtete Sachbuch für Kinder in deutscher Sprache, das „Bilderbuch für Kinder“ des Verlegers Friedrich Justin Bertuch, nimmt die Verbindung von Kind und Bild zum Ausgangspunkt. Diese Verbindung legitimierte, so eine der zentralen Thesen des Buches, den Einzug des Bildes „als Medium der Weltbetrachtung“ (S. 10). Die kulturanalytische Untersuchung leistet „einen wichtigen Beitrag zur Bild- und Wahrnehmungsgeschichte des 18. Jahrhunderts“ (Klappentext). Vor allem aber ist sie ein Beitrag zur Wissensgeschichte der Moderne. Eindrucksvoll zeichnet Chakkalakal nach, wie sich im Medium Bilderbuch zeitgenössische Diskurse nicht nur verdichteten, sondern wie das Bilderbuch selbst zum Aushandlungsraum zeitgenössischer Debatten in Wissenschaft und Öffentlichkeit wurde.

 

Georges Didi-Huberman, Remontagen der erlittenen Zeit. Das Auge der Geschichte 2
Wilhelm Fink Verlag, Paderborn 2014
rezensiert von Nicole Wiedenmann, redaktionell betreut durch Christoph Classen

Cover Didi-HubermanAnschließend an seine beiden Werke „Bilder trotz allem“ und „Wenn die Bilder Position beziehen“, beschäftigt sich der Philosoph und Kunsthistoriker Georges Didi-Huberman auch in diesem Essay mit der Frage nach der visuellen Darstellbarkeit der Shoah. Sowohl differenzierte historiografische als auch ästhetische Problematisierungen kennzeichnen dabei seine Auseinandersetzung mit dem Holocaust. Seine Position zur bildlichen Darstellung des Genozids in vorangegangenen Texten hatte gleichwohl gerade bei französischen Intellektuellen – allen voran Claude Lanzmann – harsche Kritik hervorgerufen. So hielt Gérard Wajcman Didi-Huberman entgegen: „Es gibt keine Bilder der Shoah.“ Didi-Huberman wurde „Sensationslust“ und „hypnotische Faszination“ am Grauen vorgeworfen und seine Kritiker sahen – wie Anton Holzer rekapitulierte – „in seiner Argumentation eine unzulässige religiöse Fetischisierung des fotografischen Bildes“. Remontagen der erlittenen Zeit setzt sich erneut gegen diesen Ikonoklasmus zur Wehr, denn die angebliche Undarstellbarkeit des Holocausts darf laut Didi-Huberman nicht zu einer grundsätzlichen Bilderabwehr führen, sondern erfordert permanente Reflexion.

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