Tagung: Gezähnte Geschichte – Die Briefmarke als historische Quelle

Universität Erfurt 12.-14. Oktober 2017

Briefmarken sind Gegenstände der Alltagsästhetik, die planvoll eingesetzt werden können und bisweilen auch gezielt Verwendung finden, um Einfluss auf die kulturelle, politische oder ökonomische (Selbst-)Wahrnehmung eines Landes zu nehmen. Sie sind ein Ausweis der geführten Debatten, ein Spiegel der propagierten Selbstwahrnehmungen und vor allem auch ein Teil der eigenen Geschichtsschreibung sowie Traditionswahrung und -erfindung.

Trotzdem die kleine Gebührenquittung in eben diesem Sinne durchaus auf wirkmächtige Kronzeugen wie Aby Warburg oder Walter Benjamin zurückgreifen kann, steht eine umfassende Betrachtung und Kritik der Briefmarke als historische Quelle noch aus. Mit einer Tagung unter dem Titel „Gezähnte Geschichte. Die Briefmarke als historische Quelle“, die vom 12. bis 15. Oktober an der Universität Erfurt stattfindet, soll nun versucht werden, diese Lücke ein wenig zu schließen. Veranstalter sind René Smolarski von der Uni Erfurt, Pierre Smolarski (FH Bielefeld/Uni Wuppertal) und Silke Vetter-Schultheiß (TU Darmstadt).

Die Veranstaltung widmet sich der Bedeutung des unscheinbaren und millionenfach verfügbaren Alltagsgegenstandes Briefmarke als historische Quelle. Denn die Briefmarke findet aus kommunikations- und medienhistorischer Sicht bis heute, von wenigen Ausnahmen abgesehen, kaum Beachtung. Doch gerade im Kontext des iconic turn lässt sie sich als eine eigenständige Quellengattung begreifen, die über bestimmte Spezifika verfügt und Auskunft geben kann über die visuelle Kommunikation, die jeweiligen Bild- und Symbolwelten und/oder die kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Eigenheiten eines konkreten Zeitraums bzw. die Veränderungen dieser Spezifika über eine gewisse Zeitspanne. Hierfür ist gerade ihr Status als eigenständiges Medium – sogar als Massenmedium – von entscheidender Bedeutung.

Die Teilnehmer der Tagung wollen diese kleine Gebührenquittung in ihrer Materialität und Visualität ernst nehmen und mithilfe eines mikroskopischen Blicks gemeinsam darüber nachdenken, wie diese moderne Weltbilder mitgestaltet. Die Veranstaltung soll aus unterschiedlichsten Perspektiven die Frage beleuchten, inwieweit die Briefmarke als historische Quelle dienen kann.

 

 

Programm (Stand Juli 2017)

 

Donnerstag 12.10.2017

ab 15:00: Registrierung
16:00-16:30: Begrüßung

16:30-17:30: Keynote: Gottfried Gabriel (Konstanz): Die politische Bildersprache der Briefmarken

18:00-19:00: Keynote: Gerhard Paul (Flensburg): Die Briefmarke und die Visual History

 

Freitag 13.10.2017

09:00-10:30: Sektion 1 – Umweltgeschichte
Christian Rohr (Bern): Alpine Landschaften und Kultur als konstituierendes Element der Briefmarkenemissionen der Alpenanrainerstaaten. Eine vergleichende Analyse von 1945 bis heute

Silke Vetter-Schultheiß (Darmstadt): Natur im Miniaturformat. Umweltschutzmarken der BRD von 1950 bis 1990

11:00-12:30: Sektion 2 – Nationalsozialismus
Franz Tröger (Bamberg): Briefmarken im politischen Kalkül des NS-Staates

René Smolarski (Erfurt): “… zwei Welten im Leben eines Volkes” – Nationalsozialistische Geschlechterrollen im Spiegel der Briefmarken des Dritten Reiches (1933-1945)

13:30-15:00: Sektion 3 – Zeit und Raum
Jasper M. Trautsch (Regensburg): Weltkarten auf Briefmarken als Vermittler von westlichen Weltbildern im 20. Jahrhundert

Friedrich von Petersdorff (Fronhausen): Zeitliche und räumliche Aspekte der Medialität von Briefmarken

16:30-18:00: Sektion 4 – Kalter Krieg
Daniel Börner (Jena): „Zurück, nicht zulässig”. Politisierte Philatelie, Postkrieg und Bildpolitik während der deutsch-deutschen Teilung

Oliver Benjamin Hemmerle (Grenoble): Ikonographie des Kalten Krieges en miniature. Cinderella-Philatelie und antikommunistische Exilorganisationen

18:15-19:30: Abendvortrag
Christoph Kuhlmann (Ilmenau): Briefmarken als Medien der internationalen Kommunikation. Eine globale Vollerhebung von 1840 bis 2000

 

Samstag 14.10.2017

09:00-10:30: Sektion 5 – International
Sebastian Liebold (Chemnitz): Demokratie abgestempelt? Türkische Briefmarken als Zeitzeichen

Florian Martin Müller (Innsbruck): Archäologische Funde auf Briefmarken zur Legitimation historischer Kontinuität am Beispiel des zerfallenden Jugoslawiens und seiner Nachfolgestaaten

11:00-12:30: Sektion 6 – Technikgeschichte
Annemarie Müller (Jena): Von Passagierflugzeugen, Traktoristinnen und Kernreaktoren. Politische Selbstdarstellung auf Postwertzeichen am Beispiel der Jahrestage der DDR 1959 und 1964

Elisabeth Schaber (Leipzig): „Politisches Agitationsmittel“ und „Exportartikel. Die Raumfahrtbriefmarken der DDR

13:30-15:00: Sektion 7 – Politikgeschichte
Tilmann Siebeneichner (Berlin): Mythos mit Zackenrand: Das revolutionäre Erbe der SED und die Kampfgruppen der Arbeiterklasse auf DDR-Briefmarken

Markus Pohl (Paderborn): Sieger von Mühlberg und Ahnherr Europas? Kaiser Karl V. als Briefmarkenmotiv. Wie eine politische Idee sich auf Briefmarken durchsetzt

16:30-18:00: Sektion 8 – Deutsch-Deutsche-Geschichte
Christian Könne (Kaiserslautern): Briefmarken im Geschichtsunterricht. Historisch-didaktische Potentiale und ihre Umsetzung in Schulbüchern der Bundesrepublik und der DDR

Björn Onken (Essen): Wer sind die bedeutendsten Deutschen? Briefmarken als Quelle zur Geschichtskultur in der BRD und der DDR 1949-1970

 

Sonntag 15.10.2017

11:00-12:30: Sektion 9 – Gesellschaft und Kultur
Dietrich Ecklebe (Blankenburg): Welterbe auf Briefmarken. Millionenfach festgehaltene und jedem zugängliche Zeitzeugen

Pierre Smolarski (Wuppertal/Bielefeld): Das Animal Laborans im Spiegel der Briefmarken

09:00-10:30: Sektion 10 – Religions- und Medizingeschichte
Sebastian Knoll-Jung (Stuttgart): Nur Köpfe berühmter Mediziner? – Briefmarken als Quellen für die Medizingeschichte

Thomas Richter (Aachen): Gezähnte Reformation. Bilder der Reformation auf deutschen Briefmarken. Philatelistisch-historische Anmerkungen zur Geschichtspolitik von Bundesrepublik und DDR

ab 13:00: Abschlusssitzung

 

Gezähnte Geschichte. Die Briefmarke als historische Quelle, Universität Erfurt 12.-15.10.2017

Silke Vetter-Schultheiß TU Darmstadt vetter-schultheiss@pg.tu-darmstadt.de

Dr. phil. Pierre Smolarski, FH Bielefeld pierre.smolarski@fh-bielefeld.de

Dipl.-Inf. René Smolarski M.A. Universität Erfurt rene.smolarski@uni-erfurt.de

Universität Erfurt

 

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Ein Kommentar “Tagung: Gezähnte Geschichte – Die Briefmarke als historische Quelle

  1. Eckehart Blume, Kassel, Erinnophilie International e.V.

    Die Briefmarke hat eine Schwester: ab 1845 die Reklame- Marke, neben die Philatelie gehört die Erinnophilie. Der Welt-Sammler Nr. 1, Charles Kiddle aus England, hat full
    coloured in fast 40 Büchern vieles Wesentlichenpubliziert.
    Könnte die Briefmarke zusammen mit der Reklamemarke Welterbe der UNESCO werden?

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