Rezension: Fokus Panofsky

Dieter Wuttke, Fokus Panofsky: Beiträge zu Leben und Werk von Erwin Panofsky, Valentin Koerner Verlag Baden-Baden 2018

Der Literatur-, Kunst- und Frühneuzeithistoriker mit einem Schwerpunkt bei der Mittelalter- und Renaissanceforschung Dieter Wuttke (Jg. 1929), zuletzt von 1979 bis 1995 Inhaber des von ihm gegründeten Lehrstuhls für Deutsche Philologie des Mittelalters und der Frühen Neuzeit an der Universität Bamberg,[1] ist den Lesern von IFB zuletzt mit der Rezension der dritten, ihm zum 80. Geburtstag gewidmeten Festschrift begegnet.[2] Leser von IFB mit einem längeren Gedächtnis wissen freilich auch, dass er sich mit zentralen Figuren des Warburg-Kreises[3] befasst hat, so insbesondere mit dem Gründer des Warburg-Instituts Aby M. Warburg (1866-1929),[4] dessen Personalbibliographie er bearbeitet hat,[5] sowie mit Erwin Panofsky (1892-1968), der nach Warburgs Tod zusammen mit Fritz Saxl eine der zentralen Figuren der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg in Hamburg war. Nach deren Vertreibung durch die Nationalsozialisten emigrierte Panofsky in die USA, wo er in Princeton, N.J. und später in Chicago lehrte und forschte.

Auslöser für Wuttkes wissenschaftliches Interesse für die Rezeption antiker Stoffe in der Renaissance war die Begegnung mit Panofskys Buch „Hercules am Scheidewege“,[6] und Wuttkes Beschäftigung mit Panofsky gipfelte in seiner mehrbändigen Publikation von dessen Korrespondenz.[7] Das neueste Ergebnis seiner Beschäftigung mit dem Altmeister auf dem Gebiet von „Typologie, Ikonographie und Ikonologie“ (so in der Überschrift von Kapitel 1) ist der hier kurz angezeigte Band „Fokus Panofsky“, auf den der Rezensent mit Verspätung erst dank eines Hinweises des Verlegers aufmerksam wurde und der in der von Wuttke begründeten stattlichen Reihe Saecvla spiritalia[8] erscheint.

Der Band[9] besteht aus zwei ungleich langen Teilen. Der erste enthält in den Kapiteln 1-19 einerseits bereits publizierte Texte,[10] die „sämtlich durchgesehen worden“ sind und deren Bebilderung teilweise verändert“ wurde, sowie andererseits solche „für diesen Band kon-zipierte“ (Vorwort, S. XI); es sind kurze und längere Aufsätze, die zwischen 1966 und 2018 entstanden sind. Hält man sich allein an die in den Überschriften vorkommenden Namen, so werden außer dem von Dora und Erwin Panofsky solche aufgerufen, die mit dem Hamburger Institut und seinem Ableger im Ausland nach 1933 in Verbindung stehen, also Aby M. Warburg, E. H. Gombrich, Raymond Klibansky, Fritz Saxl oder Gertrud Bing sowie Namen aus der Kunstgeschichte, mit denen sich Panofsky befasst hat, allen voran A. Dürer. Schaut man genauer hin, stößt man auch auf Namen, die man nicht unbedingt mit Panofsky in Verbindung bringt, etwa Carl Schmitt und Ernst Jünger, aus deren Briefwechsel in Kapitel 18 Panofsky-Anekdoten zitiert werden (S. 498).[11]

Kapitel 1 „Erwin Panofskys Leben und Werk“ bietet eine kursorische Einführung und thematisiert mit einem Exkurs Panofskys Theorie der Beschreibung und Deutung von Werken der bildenden Kunst unter den bereits zitierten Begriffen Typologie, Ikonographie, Ikonologie. Das ausführlichste Kapitel 2 bietet eine Einladung zur Lektüre „Die Panofsky-Korrespondenz“ im Überblick, und das gleichfalls lange Kapitel 5 befasst sich mit „Hercules am Scheidewege“ von Erwin Panofsky unter dem Blickwinkel seiner Beziehung zu Warburg.

Von besonderem Wert als Informationsmittel ist Kapitel 20 „Die Erwin-Panofsky-Bibliographie 1914 bis 1969/73“ in erweiterter Fassung (S. 535-606). Es handelt sich dabei um eine subjektive Personalbibliographie, was aus der Überschrift nicht hervorgeht. Verzeichnet sind also ausschließlich seine eigenen Schriften in chronologischer Folge, und zwar Monographien wie Aufsätze, einschließlich zahlreicher Rezensionen. Insgesamt handelt es sich um 314 laufend durchnummerierte Eintragungen. Berücksichtigt sind auch unveränderte und veränderte Nachauflagen,[12] Parallel- sowie Teilausgaben, was jeweils in Annotationen vermerkt und durch Verweisungen auf die laufenden Nummern dokumentiert wird. Bei Monographien wird das Inhaltsverzeichnis abgedruckt, teils auch Errata-Vermerke.

Typographisch markiert vor der laufenden Nummer sind „Titel, die in bisher gedruckten EP-Bibliographien nicht oder nicht vollständig genannt werden“ (S. 535). Welche älteren Bibliographien gemeint sind, erfährt man nicht. Dem Rezensenten sind drei umfängliche Personalbibliographien von 1961, 1978 und 2014 bekannt,[13] abgesehen von Literaturverzeichnissen in einschlägigen Personenlexika.[14] Der Anhang (S. 604-606) enthält Hinweise auf Vorlesungs-Summaries bzw. -Syllabi (Nr. 1-5), dazu drei bisher nicht verzeichnete Syllabi sowie Hinweise auf die Audio-Überlieferung von Vorträgen und Vorlesungen (Nr. 1-3). Insgesamt sind die Veränderungen der vorliegenden Bibliographie gegenüber der von 2014 gering (beide haben 314 Nummern), ohne dass der Rezensent genaue Stichproben genommen hätte. Dafür spricht auch, dass der Umfang nur wenig zugenommen hat, was wohl an dem leicht geänderten Umbruch liegen mag. Am auffälligsten ist die Vermehrung der Einträge im Anhang; so fehlten 2014 beispielsweise noch die Audio-Dokumente.

Wichtig für die Erschließung des Bandes ist das von Petra Schöner erstellte Register (S. 613-655) zum Hauptteil und den Anmerkungen (weiterführende Literatur wird nur in Ausnahmefällen berücksichtigt). Erwartungsgemäß sind die Eintragungen unter Panofsky am umfangreichsten (10 Spalten auf S. 368-643); es gibt beispielsweise Eintragungen unter Lemmata wie Dankbarkeit ihm gegenüber, als Dichter oder Eitelkeit; die Masse betrifft allerdings seine Schriften, bei deren Titeln auf die laufenden Nummern in der Bibliographie verwiesen wird.

Dass dieser Sammelband in allen einschlägig sammelnden wissenschaftlichen Bibliotheken zur Verfügung stehen muss, steht außer Zweifel, auch wenn sie den Band von 2014 mit der fast identischen Personalbibliographie bereits besitzen. Ob private Interessenten an Panofsky und seinem Werk den Band erwerben werden, ist wegen des stattlichen Preises allerdings fraglich. Und ob man aus dem „Hause Wuttke/Schöner“ noch mit einer nach Vollständigkeit strebenden objektiven Personalbibliographie rechnen kann, ist nicht abzusehen, auch wenn man davon ausgehen kann, dass das Material dafür weitgehend ermittelt sein müsste.

 

 

Dieter Wuttke, Fokus Panofsky: Beiträge zu Leben und Werk von Erwin Panofsky. Mit Ergänzungen zur Korrespondenz und mit der erneut erweiterten Panofsky-Bibliographie 1914 bis 1969/73, hg. von Petra Schöner (Saecvla spiritalia; 51), Baden-Baden: Koerner 2018, 655 S., Ill.; ISBN 978-3-87320-451-5, EUR 128,-

 

Diese Rezension ist eine Zweitveröffentlichung und zuerst auf dem Portal IFB erschienen. Wir danken Dr. Klaus Schreiber für die freundliche Genehmigung, den Text auf Visual History zu veröffentlichen.

Quelle: Informationsmittel (IFB): Digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und Wissenschaft

http://informationsmittel-fuer-bibliotheken.de/showfile.php?id=9848

 

[1] Zu Dieter Wuttke siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Dieter_Wuttke [13.07.2019].

[2] Petra Schöner/Gert Hübner (Hg.), Artium conjunctio: Kulturwissenschaft und Frühneuzeit-Forschung; Aufsätze für Dieter Wuttke, Baden-Baden 2013 – Dieter Wuttke, Bibliographie (1951-2013) , S. 499-564.

[3] Bio-bibliographisches Korrespondentenverzeichnis der Bände I-V, in: Dieter Wuttke  (Hg.), Korrespondenz 1910 bis 1968: eine kommentierte Auswahl in fünf Bänden: Erwin Panofsky, Wiesbaden 2014; Dieter Wuttke, unter Mitarbeit von Petra Schöner, Ergänzungsband zur Erwin-Panofsky-Korrespondenz 1910 bis 1968, Wiesbaden 2014, S. 141-606.

[4] Karen Michels, Aby Warburg: im Bannkreis der Ideen, hg. von Christian Olearius. Mit einem Vorw. von Martin Warnke, München 2007.

[5] Aby-M.-Warburg-Bibliographie … Werk und Wirkung; mit Annotationen, Baden-Baden 1998; 1866 bis 1995 / Dieter Wuttke. Rez.: IFB 99-1/4-131 https://www.bsz-bw.de/depot/media/3400000/3421000/3421308/99_0131.html; 1996 bis 2005 : mit Nachtr. zur Bibliographie 1866 bis 1995 / Björn Biester; Dieter Wuttke, Baden-Baden 2007. IFB 07-1-049, http://swbplus.bsz-bw.de/bsz262943344rez.htm.

[6] Erwin Panofsky, Hercules am Scheidewege und andere antike Bildstoffe in der neueren Kunst, Leipzig/Berlin 1930, online unter https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/panofsky1930.

[7] Erwin Panofsky, Korrespondenz 1910 bis 1968: eine kommentierte Auswahl in fünf Bänden, hg. von Dieter Wuttke, Wiesbaden 2001-2011. – Erg.-Bd. Kumulationen: Ergänzungsband zur Erwin-Panofsky-Korrespondenz 1910 bis 1968 / Dieter Wuttke, unter Mitarbeit von Petra Schöner, Wiesbaden 2014, Inhaltsverzeichnis: https://d-nb.info/1048068498/04.

[8][8] Der vorliegende Band enthält auf den letzten drei unpaginierten Seiten eine Übersicht über die Bde. 1-50, dazu über die zwei Sonderbände mit den Festschriften für Wuttke von 1989 und 2013.

[9][9] Inhaltsverzeichnis: https://d-nb.info/1173348654/04.

[10] Der Ort der Erstveröffentlichung ist am Schluss unter Überlieferung dokumentiert.

[11] Helmuth Kiesel (Hg.), Briefwechsel 1930-1983 Ernst Jünger / Carl Schmitt, 2. Aufl., Stuttgart 2012. Rez.: IFB 12-3 http://ifb.bsz-bw.de/bsz355943840rez-1.pdf. – Wuttke zitiert nach der 1. Aufl. 1999.

[12] Diese sind recht zahlreich, und leider sind die nachfolgenden Paperbackausgaben einiger englischsprachiger Titel im Bücherschrank des Rezensenten so minderwertig gebunden, dass die Seiten herausfallen.

[13] Millard Meiss (Hg.), Essays in Honor of Erwin Panofsky, New York 1961; Panofsky, Bibliography to July 1960, S. XIII-XXI, in: Erwin Panofsky, Sinn und Deutung in der bildenden Kunst, Köln 1978: Verzeichnis der Veröffentlichungen Panofskys S. 473-491 (auf S. 477 sind noch weitere Personalbibliographien erwähnt); Erwin-Panofsky-Bibliographie 1914 bis 1969/73, in: Wuttke (Hg.), Erwin Panofsky, Korrespondenz 1910 bis 1968; Wuttke (Hg.), Ergänzungsband zur Erwin-Panofsky-Korrespondenz 1910 bis 1968, S. 63-130.

[14] Ulrike Wendland, Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker im Exil: Leben und Werk der unter dem Nationalsozialismus verfolgten und vertriebenen Wissenschaftler, München 1996, S. 484-497; Peter Betthausen/Peter H. Feist/Christiane Fork, Metzler-Kunsthistoriker-Lexikon: 210 Porträts deutschsprachiger Autoren aus vier Jahrhunderten / unter Mitarb. von Karin Rührdanz und Jürgen Zimmer, 2. Aufl., Stuttgart/Weimar 2007, S. 315-320. Rez.: IFB 12-2 http://ifb.bsz-bw.de/bsz266945309rez-1.pdf.

 

 

Zitation


Klaus Schreiber, Rezension: Fokus Panofsky, in: Visual History, 06.08.2019, https://www.visual-history.de/2019/08/06/rezension-fokus-panofsky/
DOI: https://doi.org/10.14765/zzf.dok-1533
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